Kaum ein Tag ohne sich jagenden Temperaturrekord, kaum ein Tag ohne weitere anthropozentrische Katastrophe. „Es hört nicht mehr auf“, flehte der Soziologe Bruno Latour: „Jeden Tag geht es aufs Neue los.“
Statt gebändigt und anverwandelt erweist sich die "Natur" als widerspenstig, unverfügbar, unregierbar. Statt glänzenden Aussichten droht gleißende Hitze. Die Idee einer verheißungsvollen Zukunft zerbröselt gleichzeitig mit den aufeinander folgenden Hitzewellen. Modernen Fortschrittsversprechen [spät]kapitalistischer [Welt]Verhältnisse wird damit buchstäblich ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die Verheißung von Fortschritt samt Freiheit rinnt wie trockener Sand durch die Finger. „Das berühmte ‚no future‘ der Punk-Bewegung“, so schreiben Deborah Danowski und Eduardo Viveiros de Castro, „findet sich plötzlich revitalisiert.“
Der Verlust der Zukunft im Anthropozän – dem [vermeintlichen] Zeitalter des Menschen – impliziert somit [tief]greifende Brüche. Auch das Politische bleibt davon nicht unberührt: Projektionen von [Eigen]Verantwortung, Souveränität im [Auto]Regime, [Demo]Kratie und nicht zuletzt von politischen Bildung[en] weisen mehr und mehr Risse auf.
Die Session wendet sich diesen Rissen zu und wirft folgende Fragen auf:
- Sind klassische Säulen politischer Bildung – etwa im Hinblick auf das Kontroversitätsgebot oder das Überwältigungsverbot – überhaupt noch [zeit]gemäß?
- Wer kann es sich angesichts der Klimakatastrophe leisten, [nicht] überwältigt zu sein? Was folgt daraus?
- Was heißt die Verschärfung klimabedingter Konflikte – und Abschottungen – für die Profession politischer Bildung[en]?
Oder wie im Call formuliert: „Haben wir [angesichts der planetaren Grenzen] überhaupt noch Zeit für politische Bildung?“
*In gedanklicher Komplizenschaft mit Werner Friedrichs.